Kanarische Inseln kämpfen um POSEI-Programm: Landwirtschaft in Gefahr durch EU-Pläne
Die ländlichen Regionen der Kanarischen Inseln stehen vor einer bedeutenden Herausforderung. Das wichtige POSEI-Programm, welches seit Jahren die Landwirtschaft und den Agrarsektor auf dem Archipel stützt, könnte durch neue EU-Regelungen seine Eigenständigkeit verlieren. Deshalb haben sich nun alle wichtigen Akteure des Agrarsektors zusammengeschlossen, um gegen diese Bedrohung vorzugehen.
Was ist POSEI und warum ist es so wichtig?
POSEI steht für „Programm zur Lösung spezifischer Probleme aufgrund der Abgelegenheit und Insellage“. Dieses Programm wurde speziell für die Regionen in äußerster Randlage der Europäischen Union entwickelt. Die Kanarischen Inseln erhalten jährlich rund 268,4 Millionen Euro über dieses Programm. Diese Mittel sind für den Agrarsektor absolut entscheidend, denn sie gleichen die besonderen Nachteile aus, welche durch die geografische Lage entstehen.
Die Inseln liegen weit vom europäischen Festland entfernt. Dadurch entstehen höhere Transportkosten und besondere Herausforderungen für die Landwirtschaft. Zudem sind die Kanarischen Inseln stark abhängig von Importen, was die Situation zusätzlich erschwert. Das POSEI-Programm hilft dabei, diese strukturellen Nachteile auszugleichen und die lokale Produktion zu unterstützen.
Die drohende Gefahr durch den neuen EU-Finanzrahmen
Die Europäische Kommission hat im Juli 2025 einen neuen Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen 2028-2034 vorgelegt. Dieser Plan beinhaltet gravierende Änderungen, welche das POSEI-Programm in seiner bisherigen Form gefährden könnten. Die Kommission plant, POSEI in die nationalen und regionalen Agrarpläne zu integrieren, anstatt es als eigenständiges EU-Programm weiterzuführen.
Diese Integration würde bedeuten, dass POSEI keine eigene Haushaltslinie mehr hätte. Stattdessen müssten die Mittel über nationale Programme verwaltet werden. Experten befürchten, dass dadurch die direkte Kontrolle und schnelle Reaktionsfähigkeit verloren gehen würde. Zudem könnte die spezielle Anerkennung der besonderen Situation der Kanarischen Inseln verwässert werden.
Der kanarische Landwirtschaftsminister Narvay Quintero warnte eindringlich vor diesen Plänen. Er betonte, dass die geplanten Änderungen die Existenz von tausenden landwirtschaftlichen Betrieben bedrohen könnten. Die Abschaffung des eigenständigen Charakters von POSEI würde die strukturellen Besonderheiten ignorieren, welche den Agrarsektor der Kanaren prägen.
Geschlossene Front der Agrarverbände
Angesichts dieser Bedrohung haben sich die wichtigsten Organisationen des Agrarsektors zusammengeschlossen. Die landwirtschaftlichen Berufsverbände Asaga-Asaja Canarias, COAG Canarias, Palca-Unión de Uniones und UPA-Canarias bildeten eine gemeinsame Front. Dazu kommen wichtige Branchenverbände wie Asprocan, der Verband der Bananenproduzentenorganisationen, sowie Asocan, Tropican, Fedex und Asinca.
Diese Organisationen haben gemeinsam eine Initiative entwickelt. Sie wollen einen nichtlegislativen Vorschlag im spanischen Kongress einbringen. Dieser Vorschlag soll die spanische Regierung auffordern, sich vor der Europäischen Kommission für den Erhalt von POSEI einzusetzen. Das Ziel ist klar: POSEI muss als spezifisches Regime der Europäischen Union erhalten bleiben und darf nicht in nationale Programme integriert werden.
Die Strategie der Verbände ist umfassend angelegt. Sie suchen die Unterstützung möglichst vieler politischer Parteien im Abgeordnetenhaus. Durch einen breiten Konsens soll die Position gestärkt werden. Das Ministerium für Landwirtschaft der kanarischen Regierung unterstützt diese Initiative stillschweigend, was zeigt, dass hier überparteilich gehandelt wird.
Warum POSEI unverzichtbar ist
Die Bedeutung von POSEI lässt sich an konkreten Zahlen festmachen. Das Programm finanziert nicht nur direkte Hilfen für Landwirte. Es unterstützt auch spezielle Versorgungsregelungen, welche die Zusatzkosten für wichtige landwirtschaftliche Produkte ausgleichen. Diese Regelungen sind für das Funktionieren des Binnenmarkts auf den Inseln essentiell.
Ohne POSEI würden die Produktionskosten für kanarische Landwirte dramatisch steigen. Die Mehrkosten für Logistik und Betriebsmittel sind auf den Inseln ohnehin schon höher als auf dem Festland. Dazu kommen neue Herausforderungen durch den Klimawandel und strengere Umweltauflagen. All diese Faktoren haben die Betriebe bereits in eine schwierige Lage gebracht.
Die Unterstützungsmaßnahmen des POSEI-Programms ermöglichen es den Landwirten, konkurrenzfähig zu bleiben. Sie können ihre Produkte zu Preisen anbieten, welche für die lokale Bevölkerung erschwinglich sind. Gleichzeitig bleibt die Qualität der regionalen Erzeugnisse erhalten. Dies ist besonders wichtig für typische kanarische Produkte wie Bananen, Tomaten und andere tropische Früchte.
Politische Unterstützung wächst
Die Bemühungen der Agrarverbände stoßen auf breite politische Unterstützung. Der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas hat sich klar auf die Seite der Kanaren gestellt. Er betonte, dass das POSEI-Programm seine eigene Identität innerhalb der europäischen Agrarpolitik behalten müsse. Für Spanien sei dies eine Staatsangelegenheit.
Auch der Partido Popular hat sich verpflichtet, die Interessen des kanarischen Agrarsektors zu verteidigen. Die Europaabgeordnete Carmen Crespo erklärte, dass das Ziel darin bestehe, POSEI zu aktualisieren und mit mehr Ressourcen auszustatten. Sie forderte den Landwirtschaftsminister auf, im EU-Rat einen Bericht gegen den aktuellen Finanzrahmen zu verteidigen.
Präsident Fernando Clavijo hat ebenfalls Initiativen ergriffen. Er schlug seinem Amtskollegen von Madeira vor, eine gemeinsame Front aller ultraperipheren Regionen zu bilden. Die neun Regionen in äußerster Randlage sollten einheitlich für ihren speziellen Status kämpfen. Denn die Bedrohung durch den neuen Finanzrahmen betrifft nicht nur die Kanaren, sondern alle abgelegenen EU-Regionen.
Die rechtliche Grundlage: Artikel 349 AEUV
Die Forderungen der Kanarischen Inseln basieren auf einer soliden rechtlichen Grundlage. Artikel 349 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erkennt die besondere Situation der Regionen in äußerster Randlage ausdrücklich an. Dieser Artikel verpflichtet die EU, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um strukturelle Nachteile auszugleichen.
Seit der Anerkennung dieses Artikels hat die EU die direkte Verantwortung für den Ausgleich der Nachteile übernommen. Diese institutionelle Kontrolle war für die Stabilität der Regionen entscheidend. Die direkte Genehmigung, Finanzierung und Überwachung durch die Kommission garantierte Kohärenz und Neutralität.
Die geplante Integration von POSEI in nationale Programme würde diese direkte Verbindung zwischen den Regionen und der EU-Kommission untergraben. Stattdessen müssten die Kanarischen Inseln ihre Anliegen über die spanische Regierung vorbringen. Dies könnte dazu führen, dass die spezifischen Bedürfnisse der Inseln in einem größeren nationalen Kontext untergehen.
Konkrete Forderungen an die Politik
Der nichtlegislative Vorschlag, welchen die Agrarverbände unterstützen, enthält vier zentrale Punkte. Erstens fordert er die spanische Regierung auf, sich offiziell an die EU-Institutionen zu wenden. Sie soll verlangen, dass POSEI als spezifisches EU-Programm mit eigener Verordnung erhalten bleibt.
Zweitens soll die Regierung im Rat der Landwirtschaftsminister die Notwendigkeit von Interventionen für die Regionen in äußerster Randlage verteidigen. Dabei geht es um den autonomen Rechtsrahmen, die differenzierte Finanzierung und das System der direkten Genehmigung durch die Kommission.
Drittens wird eine Aktualisierung der Haushaltsmittel gefordert. Die finanzielle Ausstattung von POSEI wurde seit fast 20 Jahren nicht mehr angepasst. In dieser Zeit sind aber die Produktionskosten erheblich gestiegen. Eine Aufstockung ist daher dringend notwendig, um die Lebensfähigkeit der Betriebe zu sichern.
Viertens sollen alle politischen Fraktionen im Abgeordnetenhaus aufgefordert werden, den Vorschlag schnellstmöglich zu registrieren und zu unterstützen. Die Zeit drängt, denn die Verhandlungen über den neuen Finanzrahmen schreiten voran. Je früher eine einheitliche Position formuliert wird, desto größer sind die Chancen auf Erfolg.
Die Bedeutung für die Bevölkerung
Die Debatte um POSEI mag technisch klingen, doch ihre Auswirkungen betreffen jeden Einwohner der Kanarischen Inseln. Der Agrarsektor ist ein wichtiger Arbeitgeber auf dem Archipel. Tausende Familien leben direkt oder indirekt von der Landwirtschaft. Wenn POSEI geschwächt wird, stehen diese Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Zudem ist die lokale Lebensmittelproduktion für die Versorgungssicherheit wichtig. Die Kanarischen Inseln sind stark von Importen abhängig. Eine starke heimische Landwirtschaft verringert diese Abhängigkeit und sorgt für frische, regionale Produkte. Dies kommt nicht nur den Einwohnern zugute, sondern auch den vielen Touristen, welche die Inseln besuchen.
Die ländlichen Gebiete der Kanaren stehen ohnehin vor großen Herausforderungen. Die Landflucht ist ein Problem, denn junge Menschen ziehen in die Städte oder verlassen die Inseln ganz. Eine lebendige Landwirtschaft kann helfen, die ländlichen Regionen attraktiv zu halten. POSEI trägt dazu bei, dass Landwirtschaft auf den Kanaren weiterhin eine Zukunft hat.
Weitere Unterstützung notwendig
Neben dem Erhalt von POSEI fordern die Organisationen auch weitere Maßnahmen. So wird die Schaffung eines POSEI-Pesca gefordert, ein spezielles Programm für den Fischereisektor. Die handwerkliche Fischerei auf den Kanaren steht vor ähnlichen Herausforderungen wie die Landwirtschaft. Auch hier entstehen durch die Insellage zusätzliche Kosten, welche ausgeglichen werden müssen.
Die Fischerei hat auf den Kanarischen Inseln eine lange Tradition. Sie ist ein wichtiger Teil der lokalen Kultur und Wirtschaft. Ein POSEI-Pesca würde helfen, die Nachhaltigkeit der handwerklichen Flotte zu sichern. Gleichzeitig könnte es dazu beitragen, die Überfischung zu vermeiden und die Meeresressourcen zu schützen.
Internationale Solidarität gefragt
Die Kanarischen Inseln suchen auch die Zusammenarbeit mit anderen betroffenen Regionen. Die Konferenz der Präsidenten der ultraperipheren Regionen hat gemeinsame Stellungnahmen verfasst. Diese wurden an die Europäische Kommission gerichtet. Darin wird vor den möglichen Nachteilen durch den neuen Finanzrahmen gewarnt.
Auch das Netzwerk der europäischen Regionen für Kohäsion unterstützt die Forderungen. Diese breite Allianz zeigt, dass es nicht nur um die Kanaren geht. Viele Regionen in der EU sehen ihre Interessen durch die geplanten Änderungen bedroht. Gemeinsam können sie mehr Druck auf die Kommission ausüben.
Der Weg nach vorne
Die kommenden Monate werden entscheidend sein. Die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen und die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik laufen bereits. Die Kanarischen Inseln müssen jetzt alle Kräfte bündeln, um ihre Position durchzusetzen. Die Einheit zwischen Politik, Verwaltung und Agrarverbänden ist dabei ein wichtiger Vorteil.
Es geht nicht nur darum, den Status quo zu erhalten. Vielmehr muss POSEI modernisiert und gestärkt werden. Die neuen Herausforderungen durch Klimawandel, Digitalisierung und veränderte Marktbedingungen erfordern angepasste Lösungen. Ein zukunftsfähiges POSEI-Programm muss diesen Anforderungen gerecht werden.
Die Agrarverbände haben angekündigt, technisch mit den politischen Akteuren zusammenzuarbeiten. Sie wollen sicherstellen, dass der Vorschlag schnell bearbeitet wird. Denn je länger man wartet, desto schwieriger wird es, noch Änderungen zu erreichen. Die Initiative zeigt, dass die Zivilgesellschaft bereit ist, für ihre Interessen zu kämpfen.
Fazit: Eine existenzielle Frage
Der Kampf um POSEI ist für die Kanarischen Inseln von existenzieller Bedeutung. Es geht um weit mehr als nur um Fördermittel. Es geht um die Anerkennung der besonderen Situation der Inseln und um die Zukunft der Landwirtschaft. Die EU hat mit Artikel 349 AEUV ein Versprechen gegeben. Dieses Versprechen muss nun eingelöst werden.
Die breite Mobilisierung aller Beteiligten ist beeindruckend. Sie zeigt, dass die Menschen auf den Kanaren bereit sind, für ihre Rechte einzustehen. Die Politik in Madrid und Brüssel muss diese Signale ernst nehmen. Nur so kann verhindert werden, dass 30 Jahre erfolgreicher Agrarpolitik für die ultraperipheren Regionen zunichte gemacht werden.
Die Kanarischen Inseln haben gezeigt, dass sie trotz ihrer abgelegenen Lage ein wichtiger Teil der Europäischen Union sind. Sie verdienen dieselbe Aufmerksamkeit und Unterstützung wie andere Regionen auch. Das POSEI-Programm ist ein Instrument, welches diese Gleichberechtigung sicherstellt. Es muss erhalten bleiben, damit die Landwirtschaft auf den Kanaren eine Zukunft hat.
Aktualisiert am 27. Oktober 2025







